Halb fünf stand ich auf und fuhr gegen fünf Uhr mit dem Taxi in das knapp 40 Kilometer entfernte Belur. Da um diese Zeit die Straßen ziemlich leer waren, erreichten wir Belur kurz nach halb sechs.
Es war noch dunkel und der Sonnenaufgang sollte erst gegen sieben Uhr erfolgen, also tranken wir einen heißen Tee. Zwischendurch kamen Leute und wollten wissen wo ich herkomme. So entwickelten sich Gespräche, die die Wartezeit bis zum Sonnenaufgang überbrückten.
Auch später innerhalb der Tempelanlage unterhielt ich mich immer wieder mit jungen Leuten. Die meisten von ihnen waren Studenten und kamen aus Kerala.
Die Tore der Gopura öffneten sich gegen sechs Uhr.

Gopura
Pünktlich mit der aufgehenden Sonne begann meine Fotosession, nicht jedoch zuvor meine Schuhe ausgezogen zu haben. Das Betreten dieser Anlage ist nur ohne Schuhe erlaubt.

Garuda, dahinter der Mast der Dvajastambha sowie die Gopura
Der Vishnu geweihte Chennakeshava Temple wurde von König Vishnuvardhana in Auftrag gegeben und am Ufer des Yagachi errichtet. 1117 n. Chr. wurde er fertiggestellt und geweiht.

Chennakeshava Temple, erbaut: 12. Jahrhundert
Auch wenn der König zwischenzeitlich die Hauptstadt nach Dvarasamudra, heute Halebidu, verlegte, wurde am Tempel weitere 100 Jahre gebaut und dieser immer wieder erweitert.

der Vasudeva Sarovara, Temple Tank
Auf Grund seiner Architektur, seiner Skulpturen, Reliefs, Friese sowie Inschriften und Geschichte ist er ein Wallfahrtsort im Vishnuismus.

der Ranganayaki oder Andal Temple
Der Tempel bezieht nicht nur auf Szenen des Vishnuismus ein, sondern auch Themen des Shivaismus, des Shaktismus sowie des Jainismus und Buddhismus.

Narasimha am Chennakeshava Temple
Die Kunstwerke des Tempels zeigen Szenen aus dem Leben im 12. Jahrhundert, Tänzer und Musiker, sowie eine bildliche Erzählung hinduistischer Texte aus dem Ramayana, der Mahabharata und den Puranas.
Insbesondere an den Skulpturen und Reliefs zeigt sich die hohe handwerkliche Kunstfertigkeit der damaligen Handwerker.

Leogryphen am Chennakeshava Temple
Sie haben in ihren Arbeiten meist ein Signet hinterlassen, so dass Wissenschaftler einzelne Figuren mehreren Handwerkern zuordnen können.
Teilweise waren ganze Familien von Handwerkern am Bau des Tempels involviert.

ich und eine Figur im nördlichen Pavilion
An einigen Tempeln sind Elemente unvollständig oder zum Teil gar nicht ausgearbeitet worden, so dass ich daran erkennen konnte, wie die Arbeitsweise der Tempelbauer war.

Hauptsäule in der Mitte, die Dekorsäule links daneben oberhalb ausgearbeitet, Dekorsäule rechts daneben oberhalb nicht ausgearbeitet
Die Steine wurden nur grob behauen und in den Tempel verbaut; erst später wurden die groben Steine mit feinen Details herausgearbeitet. Teilweise sind die Umrisse der späteren floralen Motive an den Steinen zu erkennen.

Granary
Von der Detailgenauigkeit und Präzision war ich am meisten beeindruckt.

Torbogen zum Sanctum Sanctorum im Chennakeshava Temple
Der fast rechteckige Tempelkomplex wird durch das siebenstufige Gopuram aus östlicher Richtung betreten, die von Harihara II. aus dem Vijayanagara Reich hinzugefügt wurde, um das zerstörte Tor zu ersetzen.

Karte zum Belur Templekomplex
Zur Anlage gehören weitere Tempel und Gebäudeteile:
- das Gopuram,
- das Elephant Gate,
- der East Pavilion,
- der Garuda Shrine und die Dvajastambha,
- der Vasudeva Sarovara (Temple Tank),
- der North Pavilion,
- der Chennakeshava Temple,
- die Dipastambha,
- der South-east Pavilion und Ancilary Structure,
- dem Kappe Chennigaraya Temple,
- das Vyualle Mandapa (Swing Pavilion),
- der Soumyanayaki Temple,
- das Kalyana Mandapa,
- dem Vira Narayana Temple,
- dem Ranganayaki Temple auch Andul Temple genannt sowie
- der Granary.
Viele Teile der Anlage wurden durch Kriege der einfallenden Sultane zerstört und wieder aufgebaut. Als Vijayanagara diese Gebiete zurückeroberte, wurde die Anlage um weitere Tempel erweitert.

Vira Narayan Temple
Diese Bautätigkeit setzte sich bis in das 14. Jahrhundert fort. Beispiele sind die Dipastambha, der Andul Temple sowie der Soumyanayaki Temple, um nur einige zu nennen.

Kalyana Mandapa
Der Haupttempel hatte ursprünglich einen Sikhara (Turm), der mehrfach zerstört und wieder aufgebaut wurde. Da der einstürzende Turm im 19. Jahrhundert entfernt wurde, um die unteren Stockwerke zu retten, erscheint der Tempel heute als flach.

Soumyanayaki Temple
Außerdem war der Tempel früher offen zugänglich, erst später wurden Wände mit Öffnungen eingezogen.

Kappe Chennigaraya Temple
Im Inneren des Haupttempels sind Säulen und Figuren aus sogenannten Speckstein oder auch Chloritschiefer geschnitzt worden.

Figur innerhalb des Chennakeshava Temple
Dieser Stein ist beim Abbau weich und lässt in diesem Zustand sehr genaue und filigrane Schnitzereien zu. Erst mit der Zeit härtet der Stein aus.
Insgesamt hielt ich mich etwa vier Stunden auf dem Areal auf. Die unglaubliche Menge an Figuren, die jeden einzelnen Tempel schmücken, würde für sich selbst Bücher füllen.

Vyualle Mandapa oder auch Swing Pavilion
Für mich gehört diese Karnata-Dravida-Architektur zu einer der beeindruckendsten in Südindien.
Auch heute noch ist dieser Tempel ein aktiver religiöse Riten praktizierender Ort. Beim alljährlich stattfindenden Festival wird der große hölzerne Prozessionswagen, der unter einem Schleppdach neben der Tempelanlage steht, von Menschen gezogen.

Prozessionswagen
Zusammen mit dem Hoysaleshvara Temple in Halebidu und dem Keshava Temple in Somanathapura gehört er als Teil des Heiligen Ensemble der Hoysala seit dem Jahr 2023 zum Unesco Weltkulturerbe.
Anschließend fuhr ich mit dem Taxi wieder zurück nach hassan und ging Mittag essen.
Im Flavour 24 genoss ich wieder Schokoladenkuchen und Frappé.
Morgen früh werde ich mir dann den Hoysaleshvara Temple in Halebidu ansehen.
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