Es ist passiert. Twitter hat den Zugang zu meinen Account @okonow am 05.05. gesperrt.
Vorausgegangen war die Sperre des Accounts von RA Stadler (@RAStadler) bezüglich eines drei Jahre alten Tweets, der angeblich die Wahl beeinflussen solle.
Aus Solidarität schrieb ich folgendes:
Der RA Stadler hat sich diesbezüglich in seinem Blog, siehe Artikel: “Twitter sperrt meinen Account wegen eines drei Jahre alten Tweets” und “Twitter, der neue Handlanger der AfD”, schon geäußert und ich stimme mit ihm in allen Punkten überein.
Ich habe dagegen Einspruch eingelegt und sehe mich keineswegs veranlasst einen Tweet zu löschen, der vom Recht der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 GG abgedeckt ist.
Während Twitter kein Problem darin sieht, dass Leute über ihre Plattform Rassismus, Hass und Morddrohungen gegenüber Menschen mit unterschiedliche ethnischen Hintergrund verbreiten, sperren die meinen Zugang, weil ich damit angeblich Wahlen beeinflussen könnte.
Dies ist völlig absurd.
Anlässlich der beginnenden Europawahl frage ich mich, wieviele Accounts von Twitter noch gesperrt werden, nur weil sie möglicherweise Wörter wie Stimmzettel oder Namen von Parteien bzw. Wahlempfehlungen oder satirische Äußerungen zur Wahl enthalten.
Noch spannender wird das vor dem Hintergrund der Uploadfilter, die dann komplett außer Kontrolle geraten und vorsorglich alles sperren werden was die Algorithmen nicht kennen.
Bei jeder Kommunikation zwischen Menschen, egal ob auf Twitter und Co., werden auch deren Kommunikationspartner in der Einen oder Anderen Weise beeinflusst.
Statt Regeln zu erfinden, die Tweets zur Wahlmanipulation löschen oder Accounts sperren, deren Tweets von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, wäre ein mündiger und aufgeklärter Bürger wünschenswert, der manipulative und populistische Strategien insbesondere nationalistischer und rassistischer Parteien durchschaut.
Update: Die Zugangssperre hält nunmehr seit vier Tagen an und noch immer scheint sich bei Twitter nichts zu bewegen.
Twitter kristallisiert sich immer mehr als Medienkanal für Rassisten, Hater und Nazigesocks heraus, die verstärkt ihren destruktiven Einfluss ausüben, jedwede vernünftige Kommunikation zu torpedieren und überhaupt nicht an einem demokratischen Zusammenleben auf Augenhöhe interessiert sind.
Anstatt das Verbreiten von rassistischen und gewaltverherrlichenden Tweets einzuschränken und solche Accounts dauerhaft zu sperren, werden unter fadenscheiniger Begründung, angeblicher Regelverstöße und unter Missachtung der geltenden Rechtslage rechtlich nicht zu beanstandende Tweets gelöscht und deren Verfasser gesperrt.
Es zeigt sich, dass Twitter völlig unprofessionell agiert und nicht in der Lage ist, ein vernünftiges Managementsystem zu etablieren, dass diesen massenweisen Missbrauch der Meldefunktion durch organisierte AfD-Meldetrolle unterbindet bzw. einschränkt sowie derart willkürlich zensiert, ohne auch nur ansatzweise nachvollziehbar zu sein.
Ich stelle mir ernsthaft die Frage, was ich demnächst überhaupt noch beanstandungsfrei twittern darf, um nicht wieder von Twitter gesperrt zu werden. Erst sollen es „irreführende Informationen zu Wahlen“ sein und was kommt als nächstes?
Mit diesem Vorgehen von Twitter werden nicht nur Meinungen zensiert und unterdrückt, sondern auch ein Prozess in Gang gesetzt, der sich Selbstzensur nennt.
Wohin sich Twitter aktuell entwickelt halte ich für besorgniserregend, nicht zuletzt ist dies aber auch auf Grund politischer Unfähigkeit geschuldet, die rechtlichen Vorgaben von Twitter einzufordern und stattdessen das Umsetzen derselben lieber ihnen selbst zu überlassen. Was sich daraus ergibt zeigen die zahlreichen Sperren zulässiger Inhalte.
So ein Netzwerk kann und will ich nicht mehr mit meiner Anwesenheit unterstützen und deshalb bedeutet das für mich in der Konsequenz: Nach dem Twitter meine Zugangssperre für @okonow wieder aufgehoben hat, werde ich meine sämtlichen Accounts dort löschen.
Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut und mir weitaus wichtiger, als mich vor Twitter in den Dreck zu werfen und mich selbst zu zensieren, indem ich meinen rechtlich zulässigen Tweet lösche. Die Zensur ist inakzeptabel.
Für einen Account bei Twitter werde ich garantiert nicht meine Prinzipien verraten und schon gar nicht meine Selbstachtung verlieren.
FUCK OFF Twitter!
Update 2: Inzwischen ist mein Zugang zehn Tage lang gesperrt und bislang gibt es von Twitter keinerlei Reaktion.
Offenbar hat man dort nun vollends die Kontrolle verloren, wie nicht nur die zahlreichen zu Unrecht gesperrten Accounts zeigen, sondern auch die Bundestagsanhörung ergab.
Twitter erklärte, dass Satire im Zusammenhang mit Wahlen nicht erlaubt sei, einzige Ausnahme, man betreibe einen gekennzeichneten Satire-Account.
Langsam fange ich an am Intellekt der dortigen Mitarbeiter zu zweifeln.
Vielleicht wird es tatsächlich Zeit, von einer verbraucherrechtlichen Musterfeststellungsklage Gebrauch zu machen, um Twitter das rechtswidrige Sperren auszutreiben.
Update 3: Langsam nimmt das Ganze völlig verrückte Züge an, denn heute (16.05.) hat Twitter Deutschland auch meinen Ersatzaccount @okonow2 unter den oben bereits beschriebenen Gründen gesperrt.
Das ich inzwischen nicht mal mehr satirische Tweets zu Wahlen veröffentlichen kann, ist leider einer politischen Entwicklung unserer Gesellschaft geschuldet, die immer mehr nach rechts abdriftet und in der zunehmend Rechtsradikale und Nationalisten den Diskurs bestimmen.
Twitter muss auf Druck der EU gegen FakeNews und Wahlmanipulation vorgehen und liefert der o.g. Klientel die Werkzeuge frei Haus, die diese gleich massenweise nutzen, um Kritiker zum Schweigen zu bringen und mundtot zu machen.
Der Dienst ist aber weder strukturell noch personell auf diese Flut an Sperranträgen eingestellt und vermag offenbar in keinster Weise zwischen Satire und FakeNews zu differenzieren.
Stattdessen sperrt Twitter was das Zeug hält, also lieber zu viel als zu wenig und macht sich somit unfreiwillig zum Erfüllungsgehilfen rechter Kreise.
Meiner Meinung nach greift Twitter damit aktiv in die Meinungsbildung ein zu der auch satirisch gemeinte Tweets gehören.
Update 4: Die Zeit, den Einspruch innerhalb von vier bis sechs Wochen zu bearbeiten ist inzwischen abgelaufen. Selbst auf die eigenen Angaben von Twitter kann sich kein Nutzer verlassen.
Mich wundert es überhaupt nicht, wenn Twitter Deutschland lediglich aus einem Büro und Jolanta Baboulidis besteht.
Inzwischen bin ich seit 47 Tagen gesperrt. Sollte der Einspruch nicht bis zum 30. Juni bearbeitet worden sein, werde ich denen von meiner Anwältin eine EV schicken, so wie ich es ursprünglich vor hatte.
Update 5: Inzwischen bin ich seit acht Wochen zu Unrecht gesperrt und die Reaktion von Twitter auf meinen Einspruch: völliges Desinteresse.
Update 6: Da Twitter offenbar unfähig ist die Einsprüche fristgerecht zu bearbeiten, gehe ich jetzt rechtlich gegen die vor. In diesem Sinne, stay tuned!
Update 7: Die kommenden Tage geht die Forderung meiner Anwältin, meine beiden Accounts zu entsperren, an Twitter. Ich habe mir vorab den Entwurf durchgelesen und freigegeben. Für Twitter dürfte dieses ungerechtfertigtes Sperren meiner Accounts darüberhinaus ein teures Vergnügen werden.
Auf die Reaktion von Twitter bin ich gespannt.
Update 7: Der gesetzte Termin, zum 22. August meine beiden Accounts zu entsperren, wurde von Twitter wie zu erwarten ignoriert. Damit läuft es auf eine Klage vor Gericht hinaus. To be continued.
Update 8: Da Twitter auf das Schreiben meiner Anwältin nicht reagierte, ziehe ich jetzt vor Gericht und verklage sie.
Update 9: Es wurde Klage gegen Twitter eingereicht.
Update 10: Twitter wurde vom Gericht eine Notfrist von einem Monat gesetzt, um mitzuteilen, ob sie sich gegen meine Klage verteidigen wollen und weitere sechs Wochen zur Klageerwiderung.
Sollte die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft seitens Twitter nicht innerhalb der zuvor genannten Monatsfrist eingehen, ergeht ein Versäumnisurteil mit dem ich die Zwangsvollstreckung betreiben kann.
Lässt Twitter die anschließenden sechs Wochen ebenfalls verstreichen, ist der Prozess für sie verloren.
Soweit mir bekannt ist wollte Twitter unbedingt rechtskräftige Urteile erwirken, aber offenbar scheitert das an deren Unprofessionalität. Was für ein jämmerlicher Verein das doch ist.
Update 11: Es geht in die nächste Runde. Twitter möchte, dass ich die deutschsprachigen Gerichtsdokumente in englische Sprache übersetzen lasse, da Sie sie angeblich nicht verstehen.
Tja, dummerweise gibt es den Beschluss 7 W 66/19 vom 18.12.2019 durch das OLG Düsseldorf I, der das Verweigern der Annahme solcher Schriftstücke als rechtsmissbräuchlich ansieht.
Insbesondere der Punkt 3 ist von besonderer Tragweite.
In diesem Beschluss geht es zwar um Facebook, aber der Fall darf auch analog auf Twitter anwendbar sein.
Bin gespannt, wie die sich da rauswinden wollen.
Update 12: Nachdem das Landgericht Dortmund den Anwälten von Twitter 14 Tage Fristaufschub zur Klageerwiderung gewährte, wurde ich nun per Schreiben durch das Landgericht zum Güte- und Verhandlungstermin vorgeladen.
Ort der Verhandlung: Landgericht Dortmund, Kaiserstraße 34, 44135 Dortmund, 1. Etage, Sitzungssaal 135
Zeit der Verhandlung: Mittwoch, den 10.06.2020 um 10:45 Uhr
Da in dieser Verhandlung ein grundsätzliches Problem hinsichtlich ungerechtfertigter Accountsperre sowie das Recht auf Meinungsfreiheit verhandelt wird, freue mich über ein zahlreich erscheinendes und interessiertes Publikum.
Update 13: In Vorbereitung auf die Verhandlung möchte ich Euch um Hilfe bitten.
Insbesondere ist die Bitte an jene Personen gerichtet, die täglich Hasspostings, rassistische, gewaltandrohende, sexistische und frauenfeindliche Tweets erhalten, die trotz Beschwerde von Euch bei Twitter, von denen als regelkonform angesehen und deshalb nicht gelöscht werden.
Diese Tweets möchte ich sammeln und einer Erklärung beifügen, die ich am 10.06. bei der Gerichtsverhandlung verlesen will und dem Gericht damit dokumentieren, dass Twitter Sperrentscheidungen mit zweierlei Maß trifft und dabei völlig die Kontrolle verloren hat.
Diese Tweets könnt Ihr mir per DM an meinen temporär eingerichteten Twitteraccout: @olli_verklagt oder per eMail an olliverklagttwitter[at]oliver-konow.de senden.
Danke für Eure Unterstützung!
Update 14: Twitter hat seine Berufung vor dem OLG Dresden und dem OLG Nürnberg zurückgezogen. Damit wurden die erstinstanzlichen Urteile (LG Dresden, Urteil vom 12.11.2019, Az. 1a O 1056/19 EV; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 21.11.2019, Az. 11 O 3362/19) bestätigt.
Update 15: Heute war die Verhandlung. Leider strotzte der Richter nicht gerade vor Selbstvertrauen. Außerdem hatte ich den Eindruck, dass sich die Beisitzer offenbar nicht mit dem Fall beschäftigt haben.
Meine vorbereitete Erklärung habe ich nicht verlesen, Teile daraus wurden in einem neuen Schriftsatz meiner Anwältin an das Gericht und den Anwalt der Beklagten verwendet.
Wie auch immer das Urteil ausgehen wird, mit großer Wahrscheinlichkeit wird es auf eine Berufung hinauslaufen, entweder seitens Twitter oder von mir.
Update 16: Gestern, am 01.07.2020, war Urteilsverkündung. Trotz meiner Zweifel, hat sich der Richter vom Anwalt der Beklagten nicht einschüchtern lassen und sich in seiner Urteilsbegründung im wesentlichen auf die entsprechenden Urteile der im Update 14 genannten Rechtsentscheidungen gestützt.
Damit habe ich gewonnen. Twitter hat somit meine beiden Tweets zuzulassen sowie die Sperrung meiner Accounts zu beenden. Die genaue Urteilsbegründung veröffentliche ich sobald sie mir vorliegt.
Höchstwahrscheinlich wird Twitter jetzt vor dem OLG Hamm Berufung einlegen.
Auf zur nächsten Runde.
Update 17: Mir liegt jetzt das Urteil mit Begründung vor und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
Alle Namen sind durch mich unkenntlich gemacht worden.
Hier die Urteilsbegründung des LG Dortmund im Wortlaut.
Update 18: Wie nicht anders zu erwarten, hat der Anwalt von Twitter Berufung vor dem OLG Hamm eingelegt. Dort ist das Verfahren jetzt unter dem Az.: I-29 U 18/20 anhängig.
Update 19: Am 9. November 2020 wurde folgendes vom OLG Hamm beschlossen: “Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.”
Sie können jetzt innerhalb von drei Wochen Stellung dazu nehmen.
Update 20: Ich habe mir soeben in der Kanzlei Streicher, die mich bei der Klage gegen Twitter vertritt, die Berufung des Anwalts von Twitter durchgelesen. Breitgewalzt auf 65 Seiten und aufgehübscht mit Tabellen und Statistiken. Hat aber nichts genützt, wie oben im Update 19 ersichtlich wird.
Es gilt eben noch immer: Kurz und präzise auf den Punkt. Nicht jeder Anwalt ist dazu in der Lage ;-)
Update 21: Wie nicht anders zu erwarten, hat Twitter die Berufung vor dem OLG Hamm zurückgezogen. Damit ist das Urteil des LG Dortmund rechtskräftig.
Außerdem hat Twitter mir meine Anwaltskosten zu erstatten.
Damit ist der Prozess gegen Twitter gewonnen. Meine beiden Accounts wurden nach knapp einem Jahr und acht Monaten wieder entsperrt.
Die 2. Account Sperre war aber rechtens, da die Twitter Bedingungen aussagen, dass bei einer Sperre eine Wiederanmeldung auf Twitter nicht zugelassen wird. Wäre ja noch schöner, dass jeder Gesperrte sich wieder neu anmeldet, um das System zu hintergehen.
@okonow sehe ich aber nicht als gesperrt, wie andere Accounts, die permanent gesperrt wurden.
Dann dürfte ich bei Twitter ja grundsätzlich nur einen Account betreiben, weil die jederzeit der Meinung sein könnten, dass ich diese weiteren Accounts zum Umgehen einer Sperre nutzen würde.
Zum Einen müsste Twitter mir das erstmal nachweisen, dass dem so ist und zum Anderen hätten sie in der Klageerwiderung genau dies zum Ausdruck bringen können. Haben sie aber nicht wohlwissend, dass diese Regel vom Gericht kassiert werden könnte.
Wenn dem so wäre, dann muss Twitter in seinen Richtlinien klar hineinschreiben, dass pro Person nur ein Account erlaubt ist, aber wie immer sind deren Regeln interpretationsfähig geschrieben.
Hätte ich nicht die Möglichkeit mir einen weiteren Account anzulegen wäre ich auf Gedeih und Verderb der Willkür von Twitter ausgeliefert, weil ich mir zur Sperrung keinerlei Gehör verschaffen könnte, denn Twitter hat ja noch nicht einmal die eingelegten Einsprüche fristgerecht bearbeitet.
Wie immer lässt sich darüber streiten, aber das Landgericht ist auf diesen Zug nicht aufgesprungen und hat hier klar einen Verstoß gegen die Meinungsfreiheit gesehen und das OLG Hamm sieht das offenbar genauso, denn sie erwägen die Berufung von Twitter zurückzuweisen. Damit ist doch alles klar.